COVID-19-Pandemie: (Geplante) Gesetzesänderungen im Arbeitsrecht

Als Reaktion auf die durch die Corona-Krise verursachten Folgen ist der Gesetzgeber in den letzten Wochen tätig geworden und hat unter anderem für Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen zahlreiche – zumindest befristete – Neuregelungen vorgesehen und teilweise schon umgesetzt.

Die wichtigsten (geplanten) Änderungen fassen wir im Folgenden zusammen.

1. Änderung im IfSG – Entschädigungsanspruch für Eltern wegen Schul- und KiTa-Schließungen

Erwerbstätige Sorgeberechtige, die wegen der Betreuung ihrer Kinder vorübergehend nicht arbeiten können, erhalten mit der Neuregelung in § 56 Abs. 1a IfSG einen Entschädigungsanspruch. Diese Entschädigung beträgt 67 Prozent des entstandenen Verdienstausfalls des betroffenen Sorgeberechtigten, höchstens jedoch 2.016 Euro monatlich für einen vollen Monat. Die neue Regelung ist seit dem 30. März 2020 in Kraft und gilt zeitlich begrenzt bis zum 31. Dezember 2020.

Für den Entschädigungsanspruch gelten folgende Voraussetzungen:

Es muss ein Verdienstausfall des Sorgeberechtigten vorliegen. Dieser Verdienstausfall muss auf die Betreuung betreuungsbedürftiger Kinder wegen der Schließung von Kita oder Schule zurückzuführen. Ferner setzt der Entschädigungsanspruch voraus, dass keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit besteht.

2. Änderungen des ArbZG – Ausnahmen von Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Beschäftigungsverboten

Die am 10. April 2020 in Kraft getretene „Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der COVID-19-Epidemie“ (COVID-19-Arbeitszeitverordnung – COVID-19-ArbZV) ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen und für bestimmte Tätigkeitsbereiche Ausnahmen von den geltenden Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes. Befristet sind die Regelungen bis zum 30. Juni 2020.

Ermöglicht werden Ausnahmen in Bezug auf

  • die Höchstarbeitszeiten,
  • die Mindestruhezeiten sowie
  • die Beschäftigungsverbote an Sonn- und Feiertagen.

Die Neuregelungen im Arbeitszeitgesetz gelten nur für solche Tätigkeitsbereiche, die vor dem Hintergrund der aktuellen Krise als notwendig eingestuft werden.

3. Änderung des SGB IV – Vorübergehende Sonderregelungen im Zusammenhang mit geringfügiger Beschäftigung

Die bisherige Regelung der Zeitgrenzen für geringfügig Beschäftigte in Form der kurzfristigen Beschäftigung sieht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV eine Höchstdauer von längstens drei Monaten oder 70 Tagen innerhalb eines Kalenderjahres vor. Zeitlich befristet vom 1. März 2020 bis 31. Oktober 2020 wird die Höchstdauer nun gemäß § 115 SGB IV auf längstens fünf Monate oder 115 Tage innerhalb eines Kalenderjahres angehoben.

Diese Regelung soll den durch die Corona-Krise bedingten Problemen bei der Saisonarbeit, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, Rechnung tragen. Die Änderung gilt jedoch für alle Branchen.

4. Änderung des SGB III – Vorübergehende Sonderregelungen im Zusammenhang mit Kurzarbeit

Aufgrund der Corona-Krise müssen Arbeitnehmer in vielen Tätigkeitsbereichen in die Kurzarbeit gehen. Gleichzeitig entstehen in anderen, insbesondere in den sog. systemrelevanten Bereichen, personelle Engpässe. Die Änderungen in § 421c SGB III sollen für Arbeitnehmer in Kurzarbeit einen Anreiz schaffen, auf freiwilliger Basis vorübergehend Tätigkeiten in systemrelevanten Bereichen, wie z. B. der Landwirtschaft, aufzunehmen.

Die Änderungen sehen vor, dass in der Zeit vom 1. April 2020 bis 31. Oktober 2020 das Kurzarbeitergeld durch eine Nebenbeschäftigung ohne Anrechnung auf das Kurzarbeitergeld aufgestockt werden kann. Die Summe der Einkünfte (Kurzarbeitergeld, etwaiger Arbeitsverdienst aus der Hauptbeschäftigung zuzüglich Nebenverdienstes) darf im Ergebnis nicht das monatliche Soll-Entgelt aus der ursprünglichen Hauptbeschäftigung übersteigen.

Die Regelung gilt ausschließlich für systemrelevante Berufe und Branchen. Zur Bestimmung der Systemrelevanz hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Liste veröffentlicht, die an die Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen nach dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz) angelehnt ist. Danach sind insbesondere solche Berufe und Branchen systemrelevant, die das öffentliche Leben, die Sicherheit und die Versorgung der Bevölkerung existenziell sind.

5. Änderung des BetrVG – Virtuelle Beschlüsse in der Corona-Krise

Im Betriebsverfassungsgesetz war bislang keine virtuelle Betriebsratssitzung via Video- oder Telefonkonferenz vorgesehen. Die Beschlüsse mussten daher grundsätzlich in einer Präsenzsitzung erfolgen. Dies bereitete in der derzeitigen Corona-Krise wegen der damit verbundenen körperlichen Nähe erhebliche Probleme.

Anlässlich der fortschreitenden Entwicklung hat Bundminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil in einer am 20. März 2020 veröffentlichten Ministererklärung dazu aufgerufen, die Arbeitsfähigkeit der Betriebsräte in der Covid-19-Krise sicherzustellen. Der Erklärung zu Folge seien Beschlüsse, die in virtuellen Betriebsratssitzungen sowie durch Zuschaltung einzelner Betriebsratsmitglieder gefasst wurden, wirksam.

Um diese Ansicht auch gesetzlich zu verankern, wurde § 129 des Betriebsverfassungsgesetzes entsprechend geändert. Nunmehr besteht die Möglichkeit, dass Betriebsräte an Sitzungen und Beschlussfassungen auch via Video- und Telefonkonferenz teilnehmen können. Voraussetzung hierfür ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig. Mangels Vorliegens einer handschriftlich zu unterzeichnenden Anwesenheitsliste, sind die Teilnehmer der Sitzung dazu angehalten, ihre Teilnahme gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden in Textform zu bestätigen. Diese Änderungen sind befristet bis zum 31. Dezember 2020 und wirken bis zum 1. März 2020 zurück. Bereits über virtuelle Kommunikationsformen gefasste Beschlüsse bleiben also unter den genannten Voraussetzungen wirksam.

Entsprechende Änderungen sind auch im Europäischen Betriebsräte-GesetzSE-Beteiligungsgesetz und Sprecherausschussgesetz erfolgt.

6. Geplante Änderung im KSchG – Verlängerung der Frist für Kündigungsschutzklagen

Nach dem Referentenentwurf zum „Gesetz zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Arbeits-und Sozialgerichtsbarkeit während der COVID 19-Epidemie sowie zur Änderung weiterer Gesetze“ (COVID-19 ArbGG/SGG-AnpassungsG) soll gemäß § 25a KSchG bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG auf fünf Wochen verlängert werden.

Isa Zölitz und Dr. Philipp Harlände