Zweitwohnungssteuersatzungen verfassungswidrig

Zahlreiche Gemeinden erheben von den Inhabern einer Nebenwohnung eine Zweitwohnungssteuer.

I. Zu den Grundlagen bisheriger Zweitwohnungssteuererhebung

Die Höhe der Zweitwohnungssteuer basiert gemäß vielen kommunalen Zweitwohnungssteuersatzungen auf der ermittelten Jahresrohmiete am 01.01.1964. Dieser Wert wird je nach Satzung mit unterschiedlichen Faktoren multipliziert, um den geänderten Bedingungen Rechnung zu tragen. Üblich ist zum Beispiel eine Multiplikation mit dem Preisindex der Lebenshaltungskosten aller privaten Haushalte im Bundesgebiet. Da dieser seit 1999 nicht mehr fortgeschrieben wird, multiplizieren einige Gemeinden mit einem nunmehr festgeschriebenen Hochrechnungsfaktor, zum Beispiel 4,43. Andere Gemeinden haben den Preisindex durch den deutschlandweiten Verbraucherpreisindex ersetzt.

All diesen Rechenverfahren ist gemein, dass sie erstens auf einer Bemessungsgrundlage von 1964 aufbauen und zweitens die jährliche Erhöhung nach bundesweit einheitlichen Standards ermitteln, obwohl sich in den letzten 55 Jahren Mieten und Grundstückspreise im Bundesgebiet stark auseinanderentwickelt haben. Dem Rechenverfahren liegt letztlich die Vermutung zugrunde, dass sich der Mietwert für ein 2018 bebautes Seegrundstück am Starnberger See in den letzten 55 Jahren genauso entwickelt hat wie der einer 1965 errichteten Hochhauswohnung in Kiel Mettenhof mit Warmwasser.

II. BJ 1965, Warmwasser, WC ist abgabenrechtlich kein Luxusneubau

Die Frage, ob es dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) entspricht, wenn eine 1965 errichtete Wohnung abgabenrechtlich auch 2019 noch als hochwertiger Neubau gilt, weil sie über eine zentrale Warmwasserversorgung und Doppelverglasung verfügt, hat das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr hinsichtlich der Grundsteuer mit „Nein“ entschieden.

Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis auch die Zweitwohnungssteuer verfassungsrechtlich auf den Prüfstand kam. Dies ist nunmehr erfolgt. Hatte das OVG Lüneburg 2018 noch entschieden, dass eine auf der Jahresrohmiete basierende Zweitwohnungssteuersatzung nicht zu beanstanden sei, so ist das OVG Schleswig dem nun entgegengetreten, indem es die Zweitwohnungssteuersatzungen zweier schleswig-holsteinischer Gemeinden für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt hat. In seiner Entscheidung ging das OVG Schleswig sogar weiter als das Bundesverfassungsgericht. Anders als dieses, gestand es den betroffenen Gemeinden aufgrund der Rückwirkungsmöglichkeit keinen zeitlichen Spielraum bis zu einer Neuregelung zu.

III. Was bedeutet dies für betroffene Gemeinden?

Zweitwohnungssteuersatzungen, welche auf § 79 BewG und damit den Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 verweisen, sind umgehend anzupassen. Sofern es sich bei den innegehabten Wohnungen um Mietwohnungen handelt, bietet sich als Bemessungsgrundlage ein Rückgriff auf die tatsächlich vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete an, wie dies bereits einige Gemeinden v.a. in den neuen Bundesländern praktizieren. Für Eigentumswohnungen empfiehlt sich stattdessen der Verkehrswert oder der aktuelle ortsübliche Mietspiegel.

Dr. Johannes Badenhop
Dr. Moritz von Rochow