Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Mit der Whistleblower-Richtlinie vom 23.10.2019 hat die Europäische Union den Schutz von Personen, die Verstöße gegen Unionsrecht melden, erstmals allgemein geregelt. Die Richtlinie enthält verschiedene Vorgaben für interne und externe Meldungen von Beschäftigten und sieht insbesondere die Pflicht zur Einrichtung sog. interner und externer Meldekanäle vor. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie endete bereits am 17.12.2021.
Die Vorgaben aus der Whistleblower-Richtlinie sollen durch den „Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ der Bundesregierung umgesetzt werden, aber auch darüber hinausgehen (BT-Drs. 20/3442). Am 16.12.2022 hat der Bundestag das Hinweisgeberschutzgesetz mit bedeutenden Änderungen beschlossen. Da das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf und es erst drei Monate nach seiner Verkündung in Kraft tritt, ist mit einem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes im Laufe des Jahres 2023 zu rechnen.
Überblick über den Regelungsgegenstand
Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält zwei Kernelemente:
Zunächst werden die Beschäftigungsgeber in die Pflicht genommen. Beschäftigungsgeber sind, sofern mindestens eine Person bei ihnen beschäftigt ist, natürliche Personen sowie juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen. Hierzu zählen etwa Gemeinden, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften. Für bestimmte Beschäftigungsgeber regelt der Gesetzesentwurf eine Pflicht zur Errichtung von Meldestellen zur Entgegennahme von Hinweisen. Dies gilt zunächst für Beschäftigungsgeber mit jeweils in der Regel mindestens 50 Beschäftigten. Unabhängig von der Zahl der Beschäftigten trifft die Pflicht aber z.B. auch Kreditinstitute. Die internen Meldestellen betreiben Meldekanäle, führen das Verfahren und ergreifen Folgemaßnahmen. Der Erfüllungsaufwand für die Errichtung interner Meldestellen in der Wirtschaft wird voraussichtlich 190 Millionen Euro betragen. Zugleich hat der Bund externe Meldestellen zur Entgegennahme von Hinweisen zu errichten. Auch die Bundesländer können für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen, externe Meldestellen einrichten.
Darüber hinaus wird der Schutz von Hinweisgebern geregelt. Die jahrzehntelang unklare Rechtslage soll durch das Hinweisgeberschutzgesetz verbessert werden. Hiernach haben Hinweisgeber ein Wahlrecht, ob sie Informationen über interne Missstände an eine interne oder externe Meldestelle weitergeben. Enthüllungen an die Öffentlichkeit sind nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Zugleich werden Hinweisgeber umfassend vor Repressalien geschützt.
Der Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfs ist weitreichend. Umfasst sind etwa Meldungen und Offenlegungen von Informationen über strafbewehrte und teilweise auch bußgeldbewehrte Verstöße, Umweltschutzverstöße oder Verstöße gegen Vorgaben zur Produktsicherheit. Damit geht der Gesetzesentwurf über die Vorgaben aus der Whistleblower-Richtlinie hinaus. Verstöße gegen das geplante Hinweisgeberschutzgesetz können mit Bußgeldern von bis zu 100.000 € geahndet werden.
Auswirkungen
Auf Veranlassung der Europäischen Union wird das Gesetz v.a. Pflichten für Beschäftigungsgeber begründen. Beschäftigungsgeber werden aktiv zur Verfolgung von Gesetzesverstößen in die Pflicht genommen. Ob dies gelingen wird, bleibt abzuwarten, zumal die Unternehmenskultur in Deutschland Whistleblowing – anders als in anderen Staaten – zurückhaltend gegenübersteht.
Beschäftigungsgebern sollte bewusst sein, dass nach dem Gesetzesentwurf auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unter bestimmten Voraussetzungen weitergegeben werden dürfen. Die Etablierung eines effektiven und beschäftigungsnehmerfreundlichen Hinweisgebersystems kann eine Unternehmenskultur fördern, die eine vorzeitige Meldung an die breite Öffentlichkeit und das Entstehen eines irreparablen Reputationsschaden verhindern. Hierzu können auch Seminare beisteuern, bei denen die Rechte und Pflichten der Mitarbeiter erläutert werden.
Die Umsetzung des Gesetzes kann daher zugleich als Chance begriffen werden, effektiv internen Missständen entgegenzuwirken.
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